Zügeln

Mit zügeln meinen wir Schweizer nicht das, was der deutsche Duden assoziert:

Duden | Suchen | zügeln

 

bezähmen Worttrennung: be|zäh|men Beispiel: sich bezähmen zügeln, beherrschen, in Schranken halten, im Zaum halten, bändigen (veraltet) zahm machen …

Nein, wenn wir Schweizer sagen, dass wir zügeln, meinen wir, dass wir umziehen. Und das tun wir. Leider. Viel lieber würden wir hier wohnen bleiben. Wir genossen unser Zuhause im Dreifamilienhaus mit Garten, riesengrosser Terasse (siehe mein Titelbild), die superschöne Nachbarschaft im Haus und dem Quartier und vor allem dem Seeblick seitdem wir 10 Tage vor der Geburt unseres 14jährigen hierher zogen.

Seit mind. 5 Jahren erzählte unser Vermieter immer wieder, dass er sein Elternhaus abreissen und hier einen Minergiebau erstellen möchte. Er wiederholte seine Ambitionen in regelmässigen Abständen – und dann tat sich doch nie was, so dass wir seine Worte nicht mehr wirklich ernst nahmen, d.h. wir gingen davon aus, dass wir hier noch jahre-, wenn nicht gar jahrzehntelang wohnen bleiben könnten. Seine Pläne konnte er in früheren Jahren nicht verwirklichen, weil wir aufgrund des Träschlibaches vor unserem Haus in der höchsten Gefahrenstufe wohnten. Nun ist der Bach saniert und die Gefahrenstufe wurde von der höchsten zur zweithöchsten heruntergestuft. Somit durfte er bauen. Aber trotzdem wir diese Bauerei hautnah miterlebten, gingen wir immer noch davon aus, dass wir noch lange hier wohnen bleiben könnten. Denn  unser Vermieter verlangte noch letzten Sommer/Herbst von uns noch, dass wir eine Katzenleiter montieren würden. Warum sollte er dies tun, wenn er doch das Haus abreissen lassen würde? 10636527_10202694560426421_3515761787235319647_o

Doch anfangs Dezember, pünktlich zur Adventszeit, welche ich dann nicht wirklich geniessen konnte, kündigte er uns an, dass seine Pläne im 2015 konkret würden. Sein Fahrplan sah vor, dass er seine Baueingabe anfangs Febr. machen würde, die Baubewilligung in der 2. Woche Mai 2015 erfolgen werde, das Haus im Juli 2015 abgerissen und der Neubau des 8-Familienhauses (!!) bereits im April 2016 bezogen werden könnte.

Mit diesem Damokleschwert im Nacken, begaben wir drei Familien des Hauses uns auf Wohnungssuche. Wir alle fanden bereits nach etwa einem Monat Suchen etwas Neues – alle weiterhin im selben Dorf. Wir selber fanden eine 4.5 Zimmerwohnung (ein Zimmer weniger als bisher) wieder in einem Dreifamilienhaus und wieder mit Seesicht und zwei Balkonen. Einer gegen den Hausberg hin ausgerichtet, der andere gegen den See hin. Wir werden wiederum einen Gartenanteil haben und einen Sitzplatz draussen. Unser Kater Minouch ist willkommen, die Katzenleiter wird wohl weniger lang sein müssen als bisher. Für das Kanu wird es eine Aufhängemöglichkeit geben, eine Autogarage fanden wir in der unmittelbaren Nachbarschaft. Im Herbst diesen Jahres werden wir einen Schwedenofen erhalten und freuen uns bereits jetzt darauf. Unser Sohn kann sich einmal umdrehen – und schwupps befindet er sich bereits in der Schule. 😀 DIe Seenähe bleibt dieselbe, ebenfalls zur Postautohaltestelle und die Distanz zur Klewenalpbahn ist sogar viel geringer, ebenfalls diejenige zum Dorfzentrum, das bedeutet, zu Fuss sehr gut erreichbar. Tobias, unser Jüngster wird sein letztes Schuljahr  Gott-sei-Dank in der gewohnten Schulklasse absolvieren können.

Alles Vorteile? Nein, ich werde unsere grosse Terasse vermissen, unsere lieben Nachbarn im Haus, meine Nachbarin vis-à-vis, das heimelige Holz der Wohnung, den riesengrossen Estrich, den Schlupf, das eine Zimmer, welche wir jetzt mehr haben, das grosse Badezimmer (wir werden nur noch ein einziges, sehr kleines haben), die gemütlichen Dachschrägen, den originellen Grundriss, den breiten Gang, die grosse Essküche, unsere älteste Tochter, welche bei dieser Gelegenheit auszieht…. Und die Wohnung wird uns rund Fr. 500.–/ Mt. mehr kosten als anhin. Minouch wird vor allem die ersten 14 Tage, wenn er bloss mit der Katzenleine nach draussen gehen darf, wie damals nach seiner OP sehr leiden, das weiss ich jetzt schon. Und wir mit ihm. 😦 Ich hoffe nur, er werde uns am neuen Ort nicht davonlaufen….

Wir wollten ja nicht zügeln, sondern fühlten uns aufgrund der konkreten Neubaupläne unseres Vermieters gedrängt, ein neues Zuhause zu suchen. Aber vor ein paar Tagen erzählte er uns, seine Pläne lägen in weiter, weiter Ferne. Er hat mit Behörden und Ämtern zu kämpfen, sogar bevor er überhaupt seine Baubewilligung einreichen konnte. Im Grunde genommen war es reine Kulanz, dass er uns informierte, noch ehe er diese Bewilligung hatte. Aber im nachhinein naiv. Denn wir wohnen zur Zeit bereits alleine im Haus und werden in einem Monat auch raus sein. Er kann nicht vorwärts machen mit seinem Bau, hat aber ein leeres Haus, d.h. keine Mieteinnahmen mehr. Und dabei wollten wir doch bleiben! Für alle Seiten unbefriedigend….. Wer weiss: vielleicht werden in einigen Monaten wieder Leute hier einziehen – in unsere geliebte Wohnung, weil er nicht neu bauen kann? Ich weiss nicht, ob ich den Anblick fröhlicher Neumieter auf „unserer“ Terasse ertragen könnte.

Aber ich hatte gerade heute Mittag ein Gespräch mit meinem Mann, in dem wir beide zum Schluss kamen, wiesehr uns doch unser Glaube in dieser Situation hilft. Ohne Glauben könnten wir jetzt vielleicht verbittern. Unser Glaube aber lehrt uns, dass nichts Zufall ist im Leben und Gott alles im Griff hat. Wir haben Gott gebeten, uns bei der Wohnungssuche Türen zu öffnen oder zu schliessen und vertrauen darauf, dass er das alles zuliess, weil er einen sehr guten Plan hat für uns als ganze Familie, Kater Minouch eingeschlossen. Vielleicht ergeben sich neue Freundschaften oder es hat sonst einen guten Sinn? Ich möchte mich mehr auf diese Gedanken ausrichten, statt negativen nachzuhängen…. Nun gilt es, unsere materiellen Besitztümer in Schachteln zu verpacken – Ende dieses Monats sind wir hier raus, ein neuer Lebensabschnitt beginnt.

5 Antworten auf „Zügeln

  1. Hat dies auf Gmerkigs rebloggt und kommentierte:

    Vor 3 Jahren zogen wir um – innerhalb des Dorfes. Damals schrieb ich:
    „Alles Vorteile? Nein, ich werde unsere grosse Terasse vermissen, unsere lieben Nachbarn im Haus, meine Nachbarin vis-à-vis, das heimelige Holz der Wohnung, den riesengrossen Estrich, den Schlupf, das eine Zimmer, welche wir jetzt mehr haben, das grosse Badezimmer (wir werden nur noch ein einziges, sehr kleines haben), die gemütlichen Dachschrägen, den originellen Grundriss, den breiten Gang, die grosse Essküche, unsere älteste Tochter, welche bei dieser Gelegenheit auszieht…. Und die Wohnung wird uns rund Fr. 500.–/ Mt. mehr kosten als anhin. Minouch wird vor allem die ersten 14 Tage, wenn er bloss mit der Katzenleine nach draussen gehen darf, wie damals nach seiner OP sehr leiden, das weiss ich jetzt schon. Und wir mit ihm. 😦 Ich hoffe nur, er werde uns am neuen Ort nicht davonlaufen….“

    Jetzt, drei Jahre später, ist das für mich selber interessant zu lesen. Ja, die ehemaligen Nachbarn vermisse ich, aber ich habe andere gewonnen. Unsere Vermieter sind zu Freunden geworden, welche uns auch während der Chemozeiten von Andy unterstützten. Der Küchenbalkon liegt derart zur Wohnstrasse hin, dass er wie diese früheren amerikanischen Veranden ist: Leute bummeln an uns vorbei, Kinder spielen auf der Strasse, man grüsst sich und plaudert spontan miteinander. Ich bin viel naher an den „Leuten“ und im Dorfzentrum als früher und das schätze ich enorm.

    Den Estrich vermisse ich interessanterweise nicht. Früher wanderte alles, was wir uns nicht zu entsorgen wagten, dort hinauf und ging nicht selten vergessen. Mit weniger Inventar ist es mir leichter zumute. Ich vermisse seit dem Zügeln und der Entrümpelung nur etwas, was noch irgendwo sein sollte: eine Taschenuhr meines Grossvaters. Die habe ich doch sicher nicht weg gegeben. Aber vielleicht unabsichtlich „entsorgt“? :-O

    Ja, der Wohnungsgrundriss war aussergewöhnlich originell und die Wohnfläche grosszügig. Wir wohnen jetzt auf kleinerem Raum und konventioneller. Dafür ist die Wohnung im Gegensatz zur alten, sehr hell. Und das wiegt alle Nachteile zur früheren Wohnung auf. Meine Tageslichtlampe muss ich hier am neuen Wohnort kaum mehr in Betrieb nehmen.

    Wir essen in der Stube, nicht wie vorher in der Wohnküche. Und das ist vor allem, wenn wir Gäste haben ein Vorteil: man hat die Unordnung vom Kochen her, während des Essens nicht vor der Nase. Der Nachteil ist, dass man während des Kaffee-Zubereitens allein in der Küche steht oder auch dann, wenn noch eine Kleinigkeit fertig zubereitet werden muss. Währenddem sich die Gäste rein von den Platzverhältnissen her, in der Stube unterhalten. Viele Gespräche entgehen mir dadurch.

    Meine älteste Tochter vermisse ich – ja. Aber sie wäre auch ohne unser Zügeln bald zu ihrem Freund gezogen….

    Die Fr. 500.– welche wir mehr an Miete bezahlen für unsere jetzige Wohnung, spüren wir. Ich gebe meinen Lohn, den ich als Freie Journalistin für den Nidwaldner Blitz verdiene, sozusagen grad ab, für diese Mehrkosten. Doch mein Lohn ist nicht fix, sondern auftragsabhängig. So ist unsere Haushaltkasse manchmal strapaziert.

    Minouch hat sich damals sehr schnell eingelebt am neuen Wohnort. Er ist nie an den alten Ort zurückgelaufen. Verwunderlich wäre das nicht gewesen, denn die Wohnorte liegen bloss 20 Gehminuten voneinander entfernt. Hier am neuen Ort schafft er es, die Katzentreppe problemlos zu benutzen und kann so frei rein- oder rausgehen, wie es ihm beliebt. Am alten Wohnort schaffte er es bloss, die Katzentreppe hinab zu laufen. Hoch kam er nie auf diesem Weg, sondern wartete immer, bis ihm jemand den Zugang ins Treppenhaus gewährte. Wir vermuteten, dass ihm die Treppe dort zu lang war und am Schluss verschwand sie unter einem Giebel. Vielleicht war ihm das doch zu dunkel. Er lebt hier draussen ungefährlicher als am früheren Wohnort, denn die Strasse vor dem Haus ist eine Wohnstrasse, auf der Kinder liegen und mit Kreide auf den Boden malen. Es gibt ein paar Zäune zu überkletten, das Land ist nicht so offen, wie am anderen Wohnort. Aber er schafft es problemlos, diese zu überspringen. 😉 Mit den anderen Katzen in der Gegend versteht er sich gut. Er ist der King des Quartiers. 😀 Es gibt ein paar Leute in der Nachbarschaft, welche Katzen nicht so mögen – aber ein grosses Problem ist es nicht. Als ich das im Vorfeld hörte, hatte ich Bauchschmerzen deswegen.

    Alles in allem ist es rundum gut, dass wir hier nun seit drei Jahren wohnen dürfen.

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